Interview Henning Kothe

Interview mit Henning Kothe

Corona wird platt gemacht

Interview mit Lungenfacharzt Dr. Henning Kothe zu seinem Podcast „Corona op Platt“

Corona op Platt – unter dem Titel veröffentlich Dr. Henning Kothe, Lungenfacharzt, Kabarettist und Opernsänger aus Hamburg, seinen Podcast, in dem er kurz, knapp und verständlich (zumindest für Plattschnacker) offene Fragen zum Corona-Virus beantwortet. Im Gespräch mit Lebensart Redakteurin Nicole Groth erzählt er, was die plattdeutsche Sprache bei seiner Zielgruppe bewirkt und warum trotz aller Ernsthaftigkeit ein gewisses Maß an Heiterkeit erlaubt ist.

Moin Herr Dr. Kothe oder soll ich lieber sagen „Dr. K.“? So, wie Sie sich in Ihrem Podcast nennen?

Ach, der Name ist noch aus Studienzeiten. Meine Auslandssemester für das Medizinstudium habe ich unter anderem in St. Louis in Amerika gemacht. Hier in Deutschland laufen die Ärzte mit einem Pieper rum, über den sie angefunkt werden. Aber in amerikanischen Krankenhäusern läuft das über den Hausruf. Das heißt, die Rezeptionistin ruft deinen Namen aus. Kothe war denen zu schwierig. Dann habe ich gesagt: Nennt mich Dr. K. Das ist kurz und einprägsam. Und so etwas wollte ich für den Podcast auch haben.

Wie entstand die Idee zum Podcast-Projekt „Corona op Platt“?

Kurz vor dem Shutdown hätte ich zusammen mit Gerd Spiekermann einen Auftritt in Hamburg gehabt (Anm. d. Red.: Dr. Henning Kothe steht regelmäßig als Kabarettist und Sänger auf der Bühne). Der wurde leider kurzfristig abgesagt, da unser Publikum nunmal hauptsächlich zu der Risikogruppe gehörte. Von vielen, darunter auch einige meiner Patienten, wurde ich dann angeschrieben: „Sech mol, du bist doch Doktor. Wat is dat denn nu mit Corona“. Solche und viele weitere Fragen kamen bei mir an. Aber wissen Sie, ich kann gut Plattdüütsch schnacken, aber schreiben, kann ich es gar nicht. Und so kam es dazu, dass ich mir ein anderes Format gesucht habe, um Fragen auf Platt zu beantworten.

Hochdeutsch verstehen alle, Plattdeutsch eher wenige. Dadurch erreichen Sie nur eine kleine Anzahl möglicher Zuschauerinnen und Zuschauer.

Ja, das stimmt. Dadurch spreche ich nur eine kleine Zielgruppe an. Aber die älteren Menschen haben Angst, weil sie auch nicht alles zu der Corona-Lage verstehen. Mit dem Podcast möchte ich Klarheit schaffen und ihnen diese ernste Sache verständlicher rüberbringen. Wenn ich das auf Platt mache, nimmt es ein wenig die Anspannung, denn Plattdeutsch kommt komodig und sutsche rüber und schüchtert nicht so sehr ein.

Trotz der Ernsthaftigkeit gehen Sie das Thema bisweilen heiter an? Wieso machen Sie das?

Ich versuche das Ganze dadurch verdaulicher zu machen. So halte ich es auch als Mediziner. Ich habe täglich mit tumorerkrankten Patienten zu tun, suche ständig Metastasen. Die Patienten sind angespannt. In dieser Situation versuche ich mit einem gewissen Maß an Heiterkeit mit den Leuten umzugehen. Und meine Patienten schätzen das. Ich höre immer wieder: „Das ist ein fieses Haus, in das ich hier gehen muss, aber zu Ihnen komme ich immer gern.“

Um medizinische Vorgänge zu erklären, nutzen sie keine digital aufbereiteten Erklärbilder. Sie greifen eher auf Strohhalme, Schaumstoff und Handpuppen zurück. Halten Sie das Set bewusst einfach?

Ja, ganz bewusst! Auch das mache ich immer so, wenn ich meinen Patienten etwas erkläre. Ich versuche einfache Bilder zu erzeugen, damit jeder versteht, wovon ich rede. Es gibt immer mal wieder jemanden, der mir vorwirft, ich erkläre alles viel zu banal. Aber da draußen gibt es Menschen, die verdienen mit dem Vermitteln von Banalitäten sogar Geld. Sie heißen Lehrer. Dieses Prinzip sollte in der Medizin aufgenommen werden. Nichts ist schlimmer, als mit Begrifflichkeiten um sich zu werfen, die niemand außer der Arzt selber versteht. Das hinterlässt beim Patienten nur ein ungutes Gefühl und das finde ich schade. Dieses Prinzip versuche ich auch in meinen Kommunikationsworkshops und Seminaren den Teilnehmern zu vermitteln. Wer versucht durch Terminologie zu beeindrucken, schafft Distanz.

So einfach Sie Sachverhalte erklären, so zeitlich kurz halten Sie Ihren Podcast – ganz im Gegensatz etwa zu ihrem bekannten Podcast-Kollegen, dem Virologen Christian Drosten. Warum?

Das mache ich mit Absicht. Ich schätze sehr, was Herr Drosten da macht. Das hat wirklich einen Grimme-Preis verdient. Aber so gut ich alles verstehe, macht er doch auch für meinen Geschmack zu viele ausholende Schleifen. Das ist alles interessant, aber besonders für den Laien nicht immer einfach zu fassen. Ich versuche Fragen auf den Punkt gebracht zu beantworten. Und die Leute finden das schön. Wobei es mir wirklich wichtig ist, mich über dieses Format nicht anzubiedern, sondern sachlich und verständlich zu erklären, wenn Bedarf da ist.

Wie erfolgt die Themensetzung?

Die Themen überlege ich mir selber. Und aus den Gesprächen mit Patienten heraus erfahre ich natürlich auch, was noch unverständlich ist. Denn natürlich erreiche ich mit dem Podcast auch nicht meine gesamte Zielgruppe, da nicht jeder online unterwegs ist. So habe ich aber zum Beispiel mal eine Nachricht eines älteren Mannes über seine Tochter zugespielt bekommen. Zusammen schauen sie sich meinen Podcast auf dem Handy an und haben mir dazu eine Frage gestellt. So geht es also auch.

Haben Sie schon Rückmeldungen zu Ihrem Podcast bekommen? Auch aus Fachkreisen?

Ich habe viele positive Rückmeldungen bekommen. Und natürlich auch von Kollegen, die mir gerne empfehlen, welches Thema oder welche Begrifflichkeit ich mal aufnehmen soll. Ein Kollege hat mir z.B. vom Schnutenpulli erzählt (Anm. d. Red.: Gemeint ist der Mund-Nase-Schutz auf Plattdeutsch). Das musste ich dann natürlich direkt mit einbauen.

Wie regelmäßig bespielen Sie Ihren Podcast?

Ich veröffentliche den Podcast willkürlich und nach Bedarf. Neben der Arbeit und diversen anderen Aufträgen und Projekten muss ich natürlich Zeit für die Produktion haben.

Haben Sie an der Podcast-Produktion Gefallen gefunden? Würden Sie auch abseits von Corona einen Medizin-Podcast veröffentlichen?

Ja, das kann ich mir vorstellen. Aber ich würde das nur machen, wenn wirklich der Bedarf dazu besteht. Es bringt mir nun nichts, zu erklären, was Diabetes ist. Ich möchte nur gehaltvolle Informationen liefern, wenn es eine Zuhörerschaft da draußen gibt, die auch wirklich etwas erklärt haben möchte. Wenn ich nur den Auftritt vor Publikum brauche, erzähle ich weiterhin meine Döntjes auf der Bühne.

Das Interview führte das Magazin Lebensart - Das Monatsmagazin im Norden im Juni 2020